Wochers Panorama von Thun

Der Rundturm mit dem Wocher-Panorama auf dem Löffelplan von 1862.

Am 27. Februar 1883 wurde Marquard Wochers berühmtes Panorama von Thun am Sternengässlein dem Publikum nochmals zugänglich gemacht. Das rund 280 Quadratmeter aufweisende Gemälde zeigte ein Panoramabild, das die Stadt Thun, den See und die umgebende Alpenkette darstellte.

Als im Jahre 1800 der aus dem Raum Konstanz stammende Marquard Wocher sich mit Anna Maria Büchel geb. Fatio verehelichte, verfügte er über eine stattliche Liegenschaft im Sternengässlein, die seine Frau aus erster Ehe geerbt hatte. Auf dem Gartenareal liess Wocher 1809 einen hohen turmähnlichen Bau errichten, der speziell für die Aufnahme des Panoramas bestimmt war. Einmal wird erwähnt, dass dieser Bau rund gewesen sei, ein anderes Mal ist von einem oktogonalen Grundriss die Rede. Die verschiedenen Abbildungen der Aussenansicht der recht sonderbaren Konstruktion lassen aber deutlich erkennen, dass dieselbe 14 Flächen aufwies. Der weithin überragende Turm erreichte die imponierende Höhe von 19,5 m bei einem Durchmesser von 13,5 m.

Der Turm im Garten von Marquard Wocher, wohl vom Hirschgässlein aus fotografiert. Foto: Koch 1880.

Auf einer 7,40m hohen und beinahe 38m breiten Leinwand malte Marquard Wocher zwischen 1809 und 1814 in mühevoller Arbeit das Riesengemälde. Nach seiner Fertigstellung verfasste Marquard Wocher einen öffentlichen Aufruf zur Besichtigung des vollendeten Werks. Dieser Aufforderung wurde lebhaft Folge geleistet, wollte doch niemand darauf verzichten, die berühmte Attraktion zu besuchen. Das Fremdenbuch verzeichnet Namen von Besuchern aus allen Weltteilen.

Der oberste Teil des Rundbaus war ringsum mit Fenstern versehen, durch die das Gemälde gleichmässig beleuchtet wurde. Ein kuppelartiger Aufbau krönte das Gebäude. Auf der Kuppel selbst befand sich eine Windrose. Unterhalb der Fensterreihe, an der Aussenfront, zog sich eine Galerie hin, die den Fremden ebenfalls zum Besuch empfohlen wurde. Wenn man das Panorama sehen wollte, war man genötigt, einen absichtlich dunkel gehaltenen kleinen Gang bis zur Treppe zu durchschreiten. Über diese gewundene Stiege gelangte man, ungefähr in halber Höhe des Turmes auf die für den Besucher bestimmte Plattform. Dabei war die Absicht, dass man in der Dunkelheit des Ganges und der Treppe die Orientierung verlieren und die Aussenwelt vergessen sollte; um so grösser sollte dann die Wirkung des Gemäldes sein. Über der Plattform hing ein Dächlein, das den Beschauer daran hinderte, den oberen Rand der bemalten Leinwand zu sehen, was die erwünschte Illusion gestört hätte.

Zeitgenössische Radierung, die Wochers Garten sowie den eigens gebauten Rundturm zeigt.

Selbstverständlich war ein Eintrittspreis zu entrichten, auf den unser Künstler angewiesen war. Leider reichten die Beträge nicht aus, um den Bau zu unterhalten, und Wocher versuchte vergeblich, das Panorama zu verkaufen. Als er 1830 70-jährig starb, musste seine Hinterlassenschaft auf dem Konkursweg liquidiert werden. In der Folge war das Panorama Eigentum verschiedener Basler Besitzer. 1887 erwarb es Leonhard Friedrich und schenkte es der Stadt Thun, wo es seither im Schadaupark zu besichtigen ist. Immer mehr wurde der Bau am Sternengässlein jedoch vernachlässigt, bis endlich dessen öffentliches Betreten aus Sicherheitsgründen verboten wurde. Der fremdartig gewordene Turm wurde um 1894 abgebrochen.

Einen wunderbaren Einblick in das Gemälde zeigt das Kunstmuseum Thun: Kunstmuseum Thun

Quellen:

  • Meier 1995: 126
  • Meier 1988: 88