Thomas Platter-Haus

Am feuchten Nordhang des waldigen Bruderhozes, eine knappe halbe Wegstunde von Aeschen- oder Steinentor entfernt, erhoben sich einst die vier Gundeldinger Schlösschen. Das sogenannte untere mittlere Gundeldingen, von dem hier die Rede ist, hat als einziges dieser vier reizvollen Schlösschen die Ungunst der Zeit überdauert.

Die Lage der vier Gundeldinger Schlösschen auf einer Darstellung von 1746: Das Thomas Platter-Haus (untere mittlere Gundeldingen) ist das grössere Anwesen an der unteren Kreuzung.
Das Gundeldingerquartier hat nur wenige kostbare Baudenkmäler aufzuweisen: Das Thomas Platter-Haus steht hier allein auf weiter Flur. Dennoch entbehrt dieser Stadtteil, dessen Überbauung und Erschliessung im Wesentlichen auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückgeht, keineswegs des geschichtlichen Hintergrunds. Gundeldingen stand zu Basel ehemals in einem Verhältnis, das demjenigen Riehens nicht ganz unähnlich ist: unfern der Stadt gelegen, doch schon weit ausserhalb ihrer bergenden Befestigungen, bedeutete es dem Städter einen Ort, wo er das Wagnis eines ersten Ausgreifens ins freie Landleben unternehmen konnte. In einer ganzen Reihe von Weiherhäuschen, die vermutlich schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts am Fuss des Bruderholzhügels ihren Anfang nahm, streckte die Stadt hier bereits ihre Fühler aus, als ein frühes Anzeichen dafür, dass sie nun allmählich über ihre Umgürtungen zu wachsen begann. Gleichzeitig sind diese Weiherschlösschen die ersten Vorläufer jener späteren herrschaftlichen Landhäuser mit weitem bäuerlichem Umschwung. Auch in ihrer Gestalt zeigt sich deutlich eine in die Zukunft weisende Grundform: Als gut verwahrbare Behausungen, in solidem Mauerwerk errichtet, von einem Teich umgeben und mit starken Einfriedungen versehen, stehen Schutz und Trutz, das heisst Sicherheit gegenüber Räubern und sonstigem üblem Gesindel, noch durchaus im Vordergrund. Aber auch Vieh- und Fischzucht, nebst anderen naturnahen Betätigungen und Annehmlichkeiten, sind bereits eng mit einer solchen "Residenz" verbunden.

Von diesen schlichten Wasserschlösschen ist nur noch das Thomas Platter-Haus erhalten. Es besitzt dadurch einen ganz erheblichen Seltenheitswert. Und so bescheiden es sich auch gibt, baukünstlerisch wirkt es sehr ansprechend. Mit seinem steinernen Erdgeschoss, seinem im malerischen Riegelwerk aufgesetzten oberen Stock, seinem Walmdach, das fast zur Zeltform zusammengezogen ist, nähert es sich in seiner ganzen Erscheinung einem klaren, würfelförmigen Körper. Ein reizvolles, elementares Zusammenspiel der einzelnen Kuben entwickelt sich zwischen Hauptbau und Treppenturm, dessen Schaft das Haus wie ein Pflock verankert.

Das Thomas Platter-Haus (rechts im Bild) auf einer Zeichnung von Emanuel Büchel, Mitte 18. Jahrhundert.

Die Geschichte dieses Schlösschens, die sehr stark mit der Person Thomas Platters verbunden ist, beginnt mit einiger Sicherheit bei Edelknecht Rudolf von Arberg, der 1398 auf seine Ansprüche am Besitz verzichtete. 1549 erwarb Thomas Platter, der als Rektor der Lateinschule "auf Burg" ametete, das untere mittlere Gundeldingen für 660 Gulden: Die Matten mitsamt dem Holz und einer Juchart Acker, mit dem Haus und Scheuern. Dies alles im Bann der Stadt Basel vor dem Hertor (Steinentor) "by kleinen Gundelthingenn, unden an der Stross, so von Sannt Margretthen gen Guldelthingenn zuegodt". Ein lang ersehnter Wunsch nach Abgeschiedenheit ländlicher Einsamkeit war für Platter mit dem Kauf des Landguts in Erfüllung gegangen, auch wenn er als mittelloser Schulmeister an der Schuldenlast beinahe erdrückt wurde. Doch die Freude am neuen Eigentum war gross, und so fing er gleich mit der Renovation der Brunnen, des Hauses, der Scheuer und anderem an, was ihm nötig schien. Bald hatte sich so das Landgut zum schönsten Gut um Basel entwickelt. Platter hielt Kühe, Kälber, Ochsen, Ziegen, Schweine, Gänse, Hühner, Tauben und Kaninchen, und im Teich um das Schlösschen schwammen Karpfen. Was an Granatäpfeln, Birnen, Kirschen und Trauben nicht im eigenen Haushalt verzehrt wurde, liess er auf dem Rücken seines Esels (übrigens der einzige in Basel!) zu Markte tragen. Platters Sohn Felix, der bekannte Stadtarzt, teilte die Begeisterung seines Vaters für den Landsitz nicht ganz, aber auch er spazierte mit seiner Frau an schönen Sonntagen hinaus nach Gundeldingen und kultivierte dort seine berühmten Zitronen-, Orangen- und Lorbeerbäume.

Der Zustand des Thomas Platter-Hauses in den 1960er Jahren war bedenklich, wie man hier allein am Treppenturm erkennen kann.

Das gepflegte Landgut erhielt 1830 ein Treppenhaus in Riegel, einen Anbau in Holz und Riegel, eine Scheune, eine doppelte Stallung und eine Schmiede. Das ganze Gut ging 1842 in den Besitz des Bürgerspitals, wo es bis 1958 blieb. Anfangs der 1960er Jahre verstärkte sich die Tendenz, das mittlerweile völlig verwahrloste Landhaus abzureissen. Ein aus engagierten Baslern und Heimatschützern bestehende "Aktionskomitee für die Erhaltung des Thomas Platter-Hauses", präsidiert von Dr. Hans Gutzwiller, genoss die Sympathie weiter Kreise und vermochte in letzter Minute das Vorhaben abzuwenden. Im Geleitwort ihrer Aktionsschrift heisst es: "Es ist Ehrenpflicht unserer Generation, der Stadt Basel dieses kultur- und kunstgeschichtliche Denkmal und dem Gundeldinger Quartier das einzige mittelalterliche Gebäude, das es noch besitzt, zu erhalten. (...) Wir rufen die Bevölkerung Basels auf, sich für die Rettung des lebendigen Denkmals für Thomas und Felix Platter einzusetzen und dem modernen Gebäudekomplex, der durch das Brunnmattschulhaus und die umliegende Alterssiedlung gebildet wird, den reizvollen Akzent zu erhalten, den das alte Haus seiner neuzeitlichen Umgebung zu setzen vermag."

Der heutige Zustand des Thomas Platter-Hauses.

Gerade weil das Thomas Platter-Haus, das seit 1945 unter Denkmalschutz steht, durch seine quadratähnlichen Grund- und Aufrisse nicht richtungsbestimmt ist und überdies eine lapidare Einfachheit besitzt, kann es sich in neue aussenräumliche Gegebenheiten hervorragend einfügen. Ausserdem harmoniert seine einfache plastische Formung gut mit heutiger Bauweise. Ferner besitzt das Gebäude im Inneren veränderbare Lokalitäten, so dass es verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten dienen kann. Diese architektonischen Eigenschaften erleichterten nach dem Kauf des Anwesens 1958 sowohl seine städtebauliche Eingliederung in den nur wenig später ausgearbeiteten örtlichen Bebauungsplan als auch seine unmittelbare Verwendung. Die entsprechende, von den zuständigen Fachinstanzen und Behörden genehmigte Gesamtkonzeption zeigt die neuen, inzwischen verwirklichten Baugruppen - ein Schulhaus und eine Alterssiedlung - in respektvoller Beziehung auf das sozusagen im Zentrum stehende, betagte Objekt ausgerichtet.

Dem Aktionskomitee um Herrn Gutzwiller ist es schliesslich in erster Linie zu verdanken, dass das jahrezehntelang verwahrloste Baudenkmal samt dem reizvollen Schmuck der Innenräume 1974 wieder im alten Glanz erstrahlte. Das Thomas Platter-Haus ist nun nicht nur ein quartiergeschichtlicher Meilenstein, der durch sein blosses Dasein von einer ganzen früheren Epoche berichtet. Mit ihm ist vielmehr durch seinen Erbauer die Gestalt eines bedeutenden früheren Besitzers verbunden, eines Mannes, dessen bewegtes Leben heute noch vorbildlich erscheint. Das Gebäude hält sein Andenken wach, trägt ein Stück seines Lebenswerks weiter und überliefert seine Persönlichkeit eindringlicher, als es selbst einem Bild gelingen würde.

Quellen:

  • Lötscher, Wolf-Heidegger, Lauber 1966
  • Meier 1995: 90f.
  • http://www.altbasel.ch/haushof/platter.html