Das Quartier um St. Peter

Das Quartier um St. Peter ist sinnvol geordnet und zu einem einheitlichen Ganzen geworden. Sein Alter ist aber weniger deutlich abzulesen. Zunächst fehlen sichere Anhaltspunkte über die Gründung der Peterskirche. Sie bestand vermutlich schon längere Zeit, bevor um 1200 die innere Stadtbefestigung am heutigen Petersgraben errichtet wurde.

Die Parzellen und Baugevierte

Der Talhang hinter der Spiegel-, Stadthaus- und Schneidergasse ist somit schon früh ins Stadtgebiet einbezogen worden, ebenso scheint die einheitliche Überbauung des Geländes auf dem anschliessenden Plateau jener auf dem Heuberg zeitlich voranzugehen. Die Entwicklung geschah indessen unter anderen Verhältnissen. St. Peter ist bei seiner Gründung nicht wie St. Leonhard mit grossem Grundbesitz in der Nähe ausgestattet worden. Der Boden zu seinen Füssen im Tal war bereits städtisch überbaut, das übrige Land in verschiedenem Besitz. St. Peter bildete also nicht die Veranlassung für eine einheitliche Parzellierung des Geländes, die Kirche entstand vielmehr erst, nachdem die Aufteilung im Gange oder gar zur Hauptsache schon abgeschlossen war. Diese Annahme wird durch die Eigenart der Parzellierung bestätigt. Denn nach der Art der Parzellenbildung zerfällt das Gebiet der Pfarrei St. Peter in deutlich verschiedene Abschnitte. Die Ursache hierfür wird ebenso in soziologischen Gründen zu suchen sein wie darin, dass einzelne Abschnitte zeitlich aufeinanderfolgenden Etappen angehören.

Die ursprünglichen Verhältnisse im ältesten Stadtteil zwischen Schifflände und Fischmarkt sind aus der überlieferten Struktur kaum noch erkennbar. Gesichert sind lediglich durch Grabungen die sehr kleinen Grundstücke des früher erwähnten Handwerkerquartiers am Fuss des Petersbergs. Hier hat aber die von der spätgallischen bis in die frühmittelalterliche Zeit kontinuierliche Besiedlung etwa vom 11. bis ins 14. Jahrhundert eine völlige Veränderung erfahren. Offenbar aufgehalten durch die Burchard'sche Mauer, wurde der Hang, in welchen heute der Spiegelhof hineingebaut ist, erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts durch die Anlage des nachmaligen Petersbergs als Verbindung mit der bereits ausgebauten Petersgasse wiederum erschlossen: 1321 wird ein Haus daselbst beschrieben als "sita in vico dicto die nüwe gasse olim dicto vulgariter bi dem vinstern svibogen". Auf die spätmittelalterlichen Änderungen am Fischmarkt und am Anfang der Kronengasse sei vorerst nur verwiesen.

Ausschnitt aus dem Löffelplan: Das Quartier um St. Peter zwischen Rhein, Petersgraben, Spalenberg, Schneidergasse, Stadthausgasse und Schwanengasse. Gut erkennbar sind die unterschiedlichen Parzellengrössen.

Ausser diesen Einschränkungen ist ausserhalb des ältesten Stadtgebiets der nach Parzellentypen geschiedene Aufbau der einzelnen Geviere noch weitgehend im Löffelplan überliefert: Als erster Typus die Baugevierte mit den schmalen und tiefen, später nahezu ganz überbauten Parzellen im Gebiet zwischen Stadthausgasse und heutiger Marktgasse und unterhalb des Fischmarkts zwischen der ehemaligen Schwanengasse, dem Petersberg und der Spiegelgasse. Diese sind in der weitgehenden baulichen Ausnützung verwandt mit den breiten Parzellen um den Fischmarkt, am Blumenplatz und im Geviert zwischen Kronengässlein und Eisengasse, deren abweichende Form - soweit sie nicht bereits durch mittelalterliche Stadtkorrektionen verändert worden ist - auf eine ursprünglich andere bauliche Nutzung mit Höfen schliessen lässt.

Ein weiterer Typus, breite, nur teilweise überbaute Parzellen mit weiten Höfen kennzeichnete das Geviert zwischen Spiegel- und Petersgasse. Damit verwandt, natürlich unter teilweise sehr sparsamer Nutzung des besonders begehrten Bodens, sind die tiefen Grundstücke der dritten Gattung an der Schneidegasse und am unteren Spalenberg; ihr Hinterland bot Platz für Nebengebäude und Höfe.

Wiederum ein anderes Gepräge zeigt der Stadtteil auf dem Nadelberg, als Quartieranlage jener auf dem Heuberg ähnlich. Hier wie dort wurde ein nahe am Plateaurand entlang führender Weg zur Erschliessungsstrasse für den beidseitigen Boden. Ebenso scheint auch hier oben die Besiedlung zuerst an den beiden Enden mit den schmalen Handwerkerliegenschaften eingesetzt zu haben, dort, wo am Blumenrain und Spalenberg sich bereits Vorstädte gebildet hatten und die Möglichkeit bestand, von den Vorteilen der städtischen Verkehrswege zu profitieren. Dazwischen liegen grabenwärts die grossen Parzellen, nach Zahl und Ausmass bedeutender als am Heuberg, mitsamt der überlieferten Baustruktur das ursprüngliche vornehme Wohnquartier kennzeichnend.

Die Aufstiege

Die Bodenverhältnisse gestatteten die Anlage bequemer Aufstiege vom Tal auf die Höhe. Am Petersberg in gegabeltem Anschluss an Spiegelgasse und Fischmarkt (in moderner Form erhalten in der Treppenanlage, die mitten im Spiegelhof zur Peters- und Herbergsgasse führt). Sodann vom Fischmarkt eine schmale Gasse und Treppe neben der "Trinkstube zum Brunnen" (auf dem Areal der heutigen ÖKK) und am "Ringelhof" vorbei zur Petersgasse. Der obere, später wegen des notorischen Unrats "Pomeranzgässlein" genannte Teil ist noch erhalten und hinter dem Gitter oberhalb des "Ringelhofes" sichtbar. Vom Fischmarkt führt ausserdem als direkte Verbindung das Kellergässlein zur Peterskirche. Talaufwärts folgen in grösseren Abständen das Toten- und das Imbergässlein. Diese fünf Aufstiege dienten gleichzeitig auch der baulichen Erschliessung des Hanggebietes zwischen den hinteren Talgassen und der oberen Längsverbindung Petersgasse-Nadelberg. Gegen die Stadtmauer zu wurde das Gebiet einzig durch die Peterskirche und Rosshofgasse unterteilt.

Der Quartiercharakter

Als Ganzes betrachtet ist die Umgebung von St. Peter ein sukzessive zusammengefügtes Stadtgebiet, bei dessen Entstehung aber wie schon erwähnt einheitliche Massnahmen einer einzigen Grundherrschaft kaum, oder jedenfalls nicht wie bei St. Leonhard mitgewirkt haben. Dennoch ist aus den verschiedenen Teilen eine geordnete Anlage entstanden, von erstaunlich regelmässigem Wuchs. Deutlich bestimmt im Ganzen und charakteristisch geformt im Einzelnen durch die Anpassung an das Gelände und die Rücksichtnahme auf die besonderen Bedürfnisse der Bewohner. Keinerlei schriftliche Überlieferung verrät, ob und wie weit disponierende Absichten oder gar eigentliche Beschlüsse die bauliche Entwicklung in diese Bahnen gelenkt haben. Jedenfalls ist aber dieses Wachstum als konsequente stufenweise Weiterbildung einer organischen Einheit zu einem ebenso organischen grösseren Verband zu verstehen. Nicht übersehen werden darf die darin waltende Ökonomie im Ausgleich der besonderen und der allgemeinen Interessen, die Rücksichtnahme auf die Notwendigkeiten der Handwerke, der städtischen Behausungen, des internen Verkehrs, der gemeinsamen Versorgung, der Sicherheit im Inneren und des Schutzes nach aussen. Mögen Zufall und freies Gewährenlassen da und dort zu einer eigentümlichen Lösung geführt haben - sie spielen auch im heutigen, sehr weitgehend gesetzlich geregelten Bauwesen eine nicht unwichtige Rolle - so bekundet sich doch im Übrigen ein ordnender Wille, die Fähigkeit grössere Zusammenhänge zu überblicken, eine Summe von Erfahrungen, die eben daran erinnern, dass dieses Stück Basel im Zeitalter der Stadtgründungen gewachsen ist, und dass bei seinen Unternehmungen die neuerdings üblichen Gepflogenheiten der einheitlichen Disposition und der Ordnung in grösseren Verbänden von Fall zu Fall angewendet worden sind, jeweils den örtlichen Verhältnissen und den besonderen Aufgaben angepasst. Vielleicht mehr als Ergebnis weiter entwickelter brauchmässiger Baugesinnung, die fortan neben der Formung der Bauten und ihrer Gruppierung im Kleinen auch mit Vorbedacht den Sinn der grösseren Einheit des Quartiers umfasste, mehr aus instinktivem Finden des Gemässen und weniger aus bewusstem Denken und logischem Planen im heutigen Sinn.

Spuren der damaligen städtischen Ordnung, die auch für die bauliche Struktur aufschlussreich sind, ergeben sich aus der Topographie und der Geschichte der Gewerbe. Die dasselbe Gewerbe treibenden Handwerker wohnten in einer Gasse zusammen. Die Erinnerung an diese Zustand lebt noch in heutigen Strassenbezeichnungen. Die Schmiede waren an der Eisengasse, die Permenter, Gerber, Schuster an der unteren, mittleren und oberen Gerbergasse, die Gewürzkrämer (Ingwer) in der Nachbarschaft des Imbergässleins. In der Nähe der Plätze befanden sich auch die Sattler, die Sporer und Becherer, auf den Plätzen selbst, Fischmarkt und Kornmarkt, und im Gebiet zwischen ihnen, in der Brotlaube und in der School, wurden Lebensmittel verkauft. Am Fischmarkt als dem ältesten städtischen Platz sassen ursprünglich auch die Wechsler, und dort wurde Salz feilgeboten. Interessant ist, dass sich die Schmiede später am Spalenberg niederliessen. Ähnliche Wanderungen sind auch sonst zu beobachten. Der Auszug der das innerstädtische Leben gefährdenden Gewerbe (z.B. durch Feuer) ist vermutlich auf behördliche Anordnungen zurückzuführen, wie sie besonders nach Stadtbränden häufig festzustellen sind. In den vorsorglichen Massnahmen gegen Feuergefahr, die im Hinblick auf den vorherrschenden Holzbau von grosser Wichtigkeit waren, wie in der Differenzierung der Rechtsbegriffe für Eigentum und Nutzung des Bodens, wird überhaupt zuerst die Entwicklung des städtischen Denkens fassbar.