Haus zum dürren Sod

Oberhalb des "Löwenzorns" am Gemsberg 6 steht ein Haus, das seinen Namen nach einem uralten Sodbrunnen trägt, der schon 1318 aufgehoben wurde, weil das Wasser versiegt war. Das Datum legt nahe, dass das Anwesen nicht von Anfang an diesen Namen getragen hat; wann es so genannt wurde, ist den Autoren nicht bekannt. Die Geschichte des Gebäudes lässt sich bis ins Jahr 1299 zurückverfolgen; ursprünglich stand die Liegenschaft dem Kloster St. Leonhard als Grundbesitzerin zu und war von dem Kleriker Heinricus bewohnt, vermutlich einem der Domkapläne namens Heinrich, die im 13. Jahrhundert an den Altären des Münsters zelebrierten.

Ansicht des "dürren Sods" in der linken Bildhälfte; Zustand lange vor den grossen Umbauten im Erd- und Dachgeschoss. Im Hintergrund der Spalenberg, im rechten Vordergrund der Gemsbrunnen. Photographie um 1900.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 4-53-1
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Später verliehen die Chorherren zu St. Leonhard das Anwesen an Johannes, genannt Bongarten, und nach dessen Hinschied im Jahr 1299 und einigen Handänderungen gelangte es schliesslich 1487 an den Buchdrucker Martin Flach. Der vielbeschäftigte Drucker von Messbüchern und Brevieren war trotz seiner Stellung als Ratsherr in zahlreiche Rechtshändel verwickelt; 1497 geriet der Buchdrucker in finanzielle Schwierigkeiten. Seine Gläubiger liessen nicht nur das Haus am Gemsberg mit amtlichem Beschlag belegen, sondern verlangten auch die Auslieferung des im Keller liegenden Weins. Dagegen erhob Flachs Stiefsohn, der Student Johannes Berchtold, Einspruch mit der Begründung, der Wein sei aus seinem Vermögen angebaut worden und gehöre daher ihm, und ebenso wehrte sich die Gattin, die aufgrund des ehelichen Güterrechts einen Drittel des Weins für sich beanspruchte. Flachs Kreditoren waren der Weinmann Franz Gallizian, Gastwirt im "Roten Ochsen" im Kleinbasel, und der Lizentiat Andres Helmut, welcher dem Rat als Rechtskonsulent diente, daneben aber als versierter Advokat auch für Private tätig war und mit seinen Plädoyers wesentlich zur Rezeption des römischen Rechts durch das Stadtgericht beitrug. Sebastian Brant, der Verfasser des berühmten "Narrenschiffs", preist ihn als "Fürsten des Rechts und der Eloquenz". Die beiden Herren belangten 1501 auch den offenbar als Flachs Bürgen belasteten, seit 1478 zu Safran zünftigen Ludwig Bottschuh, der, ebenso wie sein Vater und sein Bruder, die damals anscheinend recht einträgliche Kunst eines Karten-, Brief- und Heiligenmalers ausübte. Schliesslich sah sich Franz Gallizian genötigt, den "Dürren Sod" zu übernehmen, doch gelang ihm 1512 dessen Verkauf an den Krämer Martin Lebzelter aus Memmingen, der sich insbesondere als "Lebkücher" betätigte und am Gemsberg alsbald nach dem Erwerb des Hauses einen Backofen errichtete.

Blick aus dem Unteren Heuberg auf das Haus "Zum dürren Sod". Auffallend ist die mehrstöckige Dachanlage, die wie überall üblich unter anderem als Lager- und Trockenräume gebraucht wurde. Photographie 1938.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG 8166
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Im Verlauf des 16. bis 18. Jahrhunderts erschienen als Eigentümer der Liegenschaft vor allem Metzger, unter ihnen Fridlin Berger, Ratsherr seiner Zunft von 1596 bis 1612, sowie verschiedene Angehörige der Metzgerdynastien Maeglin, Vest und Lotz. 1765 veräusserte Johann Ulrich Lotz das Haus an den Notar und Gerichtsherrn Johannes von Mechel, dem 1767 von der Regenz der Einzug der Zinsen des von der Universität verwalteten Fiscus Gymnasii anvertraut worden war. Die Universitätsbehörden verlangten bei der Anstellung die hohe Kaution von 2000 Gulden, die Mechel nicht stellen konnte; doch begnügten sich Rektor und Regentialen in seinem Fall mit einer Hypothek auf seine Liegenschaft.

1808 verkauften die Erben des Notars von Mechel das Haus an Christoph Merian-Miville, einen Beamten im städtischen Kaufhaus, das sich an der Stelle der jetzigen Hauptpost befand. Er trug den bescheidenen Titel eines "Wägeliherrn", der später in "Verordneter zur Fuhrwaage" geändert wurde. Nach Merians Tod erlebte das Anwesen erneut zahlreiche Handänderungen. Um die letzte Jahrhundertwende stand es längere Zeit im Besitz des Schuhmachermeisters Friedrich Reith-Schmelzle. Einer seiner Gesellen, Georg Brenner-Eichenberger, der bei ihm zur Miete wohnte, war einer der letzten städtischen Laternenanzünder. Die Liegenschaft erfuhr im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einige tiefgreifende, aber sehr geschickte Umbauten; am deutlichsten tritt dabei der Ausbau der beiden Dachstocketagen zutage. Damit verbunden ist eine Vergrösserung der Dachgaupen auf eine Länge von je fünf Fensterflügeln. Augenscheinlich ist auch der Umbau im Erdgeschoss, wo die beiden strassenseitigen Fenster zu Gunsten eines Garagentors entfernt wurden, was die dreiachsige Symmetrie etwas durchbricht. Nach der Sanierung der Liegenschaft wurde die Fassade erneuert und die Beschriftung "zum dürren Sod 1299", die ursprünglich auf der Frontmitte stand, über die Eingangstüre verlegt.

Quellen:

  • Wanner 1985: 121f.