Verteidigung und Bewachung der Stadt

Stadtverteidigung

Galt es im Mittelalter für eine Stadt, schon im Frieden stets auf der Hut zu sein, wie viel mehr erst, wenn ein Überfall, eine Belagerung oder gar ein Aufruhr im Inneren drohte? Solche Gefahr tat das Stürmen mit der Ratsglocke auf dem Richthaus am Kleinbasler Brückenkopf kund, später das Sturmzeichen mit Trommel und Trompete. Da hatten alle waffenfähigen Bürger im Harnisch nach dem Marktplatz zu rennen und sich dort zunftweise zu ordnen. Die an den Häusern angebrachten Zunftwappen wiesen jeder Zunft ihren Sammelplatz. Vor dem Rathaus aber nahmen die Häupter der Stadt mit dem entfalteten Stadtbanner Aufstellung, bei ihnen die Räte und vornehmen Achtburger. So hatte der Rat die ganze Kriegsmacht unter seinem Befehl zusammen, entweder zum Auszug zur Feldschlacht oder um die Mannschaft auf die Mauer zu schicken. Zum Schutze des Sammelplatzes waren an sämtlichen Zugängen des Markts eiserne Ketten angebracht in einer Höhe, die kein Pferd überspringen konnte. Sie wurden im gegebenen Fall über die Gassen gespannt und mit Schlössern befestigt. Derart hütete man den Marktplatz vor dem Überrennen. In der Folge wurden noch an anderen Gassen und an den Toren der inneren Stadt solche Sperrketten verwendet. Ihr letzter Rest, die Kette am Schlüsselberg, ist teilweise noch heute vorhanden.

Galt es die Ringmauern und Tore zu beschützen, so hatte jede Zunft ihr vorgeschriebenes Verteidigungsstück. Zu diesem Zweck war der Mauerring mit seinen Türmen in fünf Abschnitte geteilt. So hüteten die Weinleute und Rebleute die Strecke vom St. Albantor bis zum Aeschentor, die Hausgenossen und Safranzünftigen vom Aeschentor bis zum Steinentor. Vom Steinentor bis zum Spalentor des Feindes zu wehren, war Sache der Schuhmacher, Gerber und Weber. Vom Spalentor bis zum Luginsland wachten die Schmiede und Metzger, während die letzte Strecke, vom Luginsland bis zum Thomasturm am Rhein, den Brotbecken, Gärtnern, Schiffleuten und Fischern anvertraut war. Der Schutz Kleinbasels lag in den Händen der dortigen drei Gesellschaften.

Zur Verteidigung des weitläufigen Mauerrings schien es aber notwendig, auch den letzten wehrfähigen Einwohner herbeizuziehen. Deshalb musste jeder Bürger, der Handwerksgesellen oder sonst Knechte hatte, diese bewaffnen und ausrüsten, so gut er es vermochte und bei jedem Alarm mitbringen. Ebenso wurden alle Fremden von nah und fern, die bei drohender Kriegsgefahr mit ihrer Habe in die Stadt flüchteten, zum Waffendienst verpflichtet.

Schon früh, um die Mitte des 14. Jahrhunderts, bediente sich Basel zu seiner Verteidigung und auf seinen Feldzügen der Feuerbüchsen. Sie wurden bald der Stolz der Stadt, hatte doch keine der benachbarten Städte landauf, landab, nicht einmal das kriegsgewaltige Bern, so viele und so treffliche Geschütze. Vor manchem feindlichen Ort donnerten die berühmten Basler Kanonen; manche trotzige Burg bezwangen sie und machten die Macht des hochmütigen Adels zu Schanden. Diese "Donnerbüchsen", die stärkste Waffe einer freien Stadt, hatten in den Augen ihrer Besitzer gleichsam Leben. Darum trug jede ihren besonderen Namen. Er wurde gewöhnliche mit einem Spruch am Geschützrohr aufgegossen oder darauf gemalt.

Eine eigentliche Belagerung erlebte Basel nach seiner letzten Ummauerung nie. Doch kamen gefahrvolle Zeiten genug, in denen die Stadt ihre Tore schliessen und Türme und Mauer Tag und Nacht besetzen musste. Während des Dreissigjährigen Kriegs wurden die Festungswerke ausgebaut. Man legte 1622 - 1624 fünf neue Bastionen oder Schanzen an, d.h. grosse, ausgemauerte Wälle, die den damaligen Geschützen Stand zu halten vermochten. Über zwei Jahrhunderte lang blieben dann die Verteidigungswerke unverändert. Erst der Bau der Eisenbahnen und das Wachstum der Stadt führten seit den 1850er Jahren zur Entfestigung und brachten den alten Bauwerken den Untergang. Ein gut erhaltenes, kleines Stück der Stadtmauer am Mühlegraben, die drei übrig gebliebenen Tore, die mit Anlagen geschmückten Schanzen bei St. Alban, St. Elisabeth, St. Leonhard, sowie ein kleines Stück der Hohen Schanze hinter dem Bernoullianum und die Rheinschanze beim St. Johanntor erinnern heute noch daran, dass Basel einst eine "feste" Stadt war.

Stadtbewachung

Schon seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts wachten über der Stadt allnächtlich auf dem Turm der Martinskirche und auf dem Münsterturm besoldete Hochwächter. Für jeden Turm waren es ihrer zwei, die sich Nacht für Nacht ablösten. Mit ihrem Horn bliesen sie die Stundenzahl. Falls sie irgendwo ein ausbrechendes Feuer sahen, so hatten sie Sturm zu läuten und zu "hurnen". Ihr Wachtdienst begann, wenn abends vom Münster das Betglöcklein ertönte und währte bis morgens, da die gleiche Glocke das Zeichen zum Öffnen der Tore gab. Das Öffnen und Schliessen der Tore besorgten bei jedem derselben zwei ehrbare, unverfängliche Bürger, welche die Torschlüssel über Nacht bei sich verwahrten. Diese Torhüter oder "Schlüssler" erhielten für ihre Mühe jeweils auf Ostern ein Lamm. Später hatte jedes Tor seinen besonderen Hüter, der auch den Zoll erhob und nebenher sein Handwerk trieb.

Für die nächtliche Sicherheit der Stadt sorgte besonders die Schwarwache. Sie bestand aus vierundzwanzig bewaffneten Bürgern, die von den Zünften abwechselnd gestellt wurden. Vom Rathaus aus machten sie ihre Rundgänge durch die Stadt, bis der Tag anbrach. Schweigsam sollten die Scharwächter durch die stockdunkeln Gassen streifen und die Hellebarde oder den Spiess auf der Schulter tragen und nicht daran einherschreiten wie an einem Alpstock. Denn da seit Anfang des 15. Jahrhunderts die Gassen nach und nach gepflastert wurden, verursachte die herkömmliche Gangart weit mehr Geräusch als früher. Wen die Scharwächter nachts auf der Gasse ohne Licht trafen, den mussten sie verzeigen. Vor allem aber hatten sie auf Feuersgefahr oder Feindesanschlag zu achten. Wie die Scharwache für die nächtliche Sicherheit sorgte, so hielten tagsüber die vier Ratsknechte und die acht Wachtmeister die Ordnung in der Stadt aufrecht. Neben ihrem Wochenlohn erhielten sie alljährlich auf Weihnachten einen Rock aus schwarz-weissem Tuch.

Das Gebot, dass jeder Bürger mit seinem eigenen Leib Wachtdienst zu leisten hatte, wurde in der Folgezeit oft durchbrochen. Vornehme und ältere Zünftler liessen sich gegen Bezahlung durch ärmere Zunftbrüder, Handwerksknechte oder Lohnwächter vertreten oder kauften sich gar dauernd von der lästigen Pflicht los. Ungebühr und schlechte Hut waren die üblen Folgen dieser Bequemlichkeit.

Die schweren Zeitereignisse des Dreissigjährigen Kriegs erforderten gebieterisch eine Änderung des Wachtwesens von Grund auf. Der Rat warb ein stehendes Heer von mehreren hundert Mann zum Schutz der Stadt an. Mit der Wiederkehr des Landfriedens entliess man die Grosszahl der Söldner. Hundert der tüchtigsten und "gesundesten" behielt man aber als ständige Stadtgarnison zur Besorgung des Wachtdiensts. Das Blömlein, ein Gebäude des ehemaligen Steinenklosters, wurde ihnen als Kaserne angewiesen. Ihre Bewaffnung bestand aus Muskete und Seitengewehr. Ausser der Ladung im Feuerrohr sollte jeder Soldat noch wenigstens für drei Schüsse Kugeln und Pulver bei sich führen. Exerziert wurde nur, "wann es das Wetter erleiden mochte". Im Jahre 1722 erhielten die Stadtgarnisönler erstmals eine einheitliche Uniform. Jeweils ein Drittel der Blauröcke verrichtete täglich den Wachtdienst unter den Toren. Daneben wurden die Leute auch zur Verstärkung der weiterhin bestehenden, nächtlichen Bürgerwache zugezogen, zumal diese dem eingerissenen Schlendrian treu blieb. Dem Ratsbeschluss von 1733, dass inskünftig alle Bürger, ohne Ansehen der Person, wachen sollten, "von dem Herrn Bürgermeister an bis auf den Bettelvogt und von dem Herrn Oberstpfarrer bis zum Sigrist", wurde einfach nicht nachgelebt.

Der dienstfreien Mannschaft der Stadtgarnison blieb es unbenommen, anderweitigem Verdienst nachzugehen. Doch war den Stadtsoldaten die Ausübung zünftiger Berufsarten verboten; sie mussten sich darum mit Holzhacken, Taglöhnerarbeiten und mit dem Besorgen von Botengängen begnügen. So nachsichtig man Verfehlungen gegen die Mannszucht bei der Bürgerwache bestrafte, so streng ahndete man die Vergehen der Stadtsoldaten mit dem Halseisen, mit Spiessrutenlaufen oder Zwangsarbeit. Ein häufig angewendetes, leichteres Strafmittel war der "Esel". Dies war ein mannshohes, auf vier Beinen ruhendes Holzgerüst mit scharfkantigem Rücken, an dessen Vorderteil ein hölzerner Kopf mit mächtigen Ohren angebracht war. Das mehrstündige, schmerzhafte Sitzen auf diesem vor dem Haus zum Pfauen am Marktplatz aufgestellten Tier gab den Verurteilten dem oft sehr handgreiflichen Spott der Vorübergehenden preis. In einer Sommernacht des Jahres 1786 trugen Nachtbuben unbemerkt den Esel weg und zerstörten ihn, und das merkwürdige Wahrzeichen städtischer Rechtspflege wurde nicht mehr ersetzt. Wenige Jahre später, in den Stürmen der Helvetik, erlosch auch die Stadtgarnison. Aber im Jahre 1804, mit der teilweisen Rückkehr alter Zustände, nahm die Stadt wiederum ein kleines Heer in ihren Sold: die Standeskompagnie, im Volksmund die "Stänzler" genannt. Ein halbes Jahrhundert dienten sie Basel schlecht und recht. Mit ihrer Auflösung im Jahre 1856 endete die letzte stehende Truppe in der Schweiz. Nicht zuletzt offenbarte sich in ihrem Verschwinden der Umschwung der eingeschränkten, kleinbürgerlichen Grenzstadt zum industrie- und volksreichen, offenen Basel der Neuzeit.