Leimentor auf der Lyss

Im Leimentor oder Lyssturm besass die Stadtmauer zwischen der Steinenschanze und dem Fröschenbollwerk einen kleinen Nebenausgang. Das ursprüngliche Egloffstörlein wurde allerdings, als durch den Bau des äusseren Befestigungsgürtels die Spalener Vorstadtbefestigung an Bedeutung verloren hatte, zugemauert, worauf der zierliche Torbau zu einem Wohnhaus für Stadtdiener hergerichtet wurde. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Mostacker die ersten Wohnhäuser entstanden, erfüllte dann während einiger Jahre das Leimentor nochmals seine eigentliche Aufgabe. 1812 überliess der Rat den Torbau der Firma Riggenbach Sohn & Comp. zur Erweiterung ihrer Zuckerfabrik, unter der Bedingung, an dessen Stelle "einen ungefähr 10 à 12 Schuh hohen Behälter für Steinkohlen auf eine geschmackvolle Art errichten zu lassen, damit sowohl die in dieser Gegend liegenden Häuser als auch die neue Strasse über den Graben eine angenehme Aussicht gewinnen." Doch weil das Handelshaus Riggenbach bald in Konkurs geriet, gelangte das Vorhaben nicht zur Verwirklichung.

Leimentor
Ansicht des (oberen) Leonhardsgrabens mit altem Lyssbrunnen, Blick zum Leimentor auf der Lyss (heute Holbeinplatz). Aquarell von J.J. Schneider 1847.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 140 recto
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Obwohl das Militärkollegium in der Folge den "Lyssthurm, der in der ganzen Stadtmauer der einzige Thurm ist, der nicht der Regierung angehört", wieder zurückkaufen wollte, "weil er als Flankenthurm, als Stütz- und Mittelpunkt zwischen dem St. Leonhards- und Fröschenbollwerk, ein sehr wesentlicher Posto wurde", verblieb das Leimentor jedoch weiterhin in privaten Händen. 1861 aber wurde "die Liegenschaft Nr. 367, das Leimentor genannt, nebst dem dazugehörenden Schopfe am Stadtgraben, behufs dortiger Correction" doch von der Stadt gegen Fr. 40'000,- übernommen und umgehend abgebrochen.

Dass die Örtlichkeit auf der Lyss schon im alten Basel der Befriedigung gewisser männlicher Bedürfnisse diente, ist den Jahrrechnungsbüchern des Rats von 1432 zu entnehmen, die den Ankauf "von zwey Hüselin, da die hüpschen Frauen sitzen", ausweisen. Für das älteste Gewerbe der Welt bot sich in dem Wirrwarr des dichten Haufens kleiner schmutziger Häuser und Hütten, der sich vom Kohlenberg bis zur Lyss erstreckte, fruchtbaren Boden. Die "armen Dirnlyn" wurden von der Obrigkeit zwar geduldet, doch "soll man die üppigen Frouwen, so by erbarn Lüten in der Statt sitzent, heissen ziehen an die Ende, wo solich Frouwen hin gehörent", und zwar "uff den Koleberg, zur Luse (Lyss), in die Maletzgassen (Malzgasse) oder gen Spittelschüren (Elisabethenstrasse)". Die Dirnen hatten erst abends, nach Bettgehzeit, das Haus zu verlassen und zu ihren Freiern zu gehen. Die Aufsicht über die Dirnen hatte ein Dreierkollegium und der Oberstknecht, dem die Frauenwirte jährlich einen Lebkuchen, etwas Geld und ein Paar Hosen zu entrichten hatten. Die Bordellhalter hatten den öffentlichen Sünderinnen an Sonn- und Feiertagen den Besuch des Gottestdienstes zu gestatten sowie bei deren Ableben für ein würdiges Begräbnis besorgt zu sein. ...