Stänzler

Seit dem 17. Jahrhundert hatte Basel eine Stadtgarnison aus besoldeten Männern, der die Wache an den Toren und auf den Mauern anvertraut war. Im Zusammenhang mit der helvetischen Republik 1798 übernahmen französische Truppen diesen Wachtdienst. Die bisherige Stadtgarnison war ihrer Hauptaufgabe beraubt und wurde schliesslich 1799 ganz aufgelöst. Die französischen Soldaten arbeiteten aber sehr zur Unzufriedenheit der Basler Bevölkerung, denn es wurde öfters geklagt, dass die Torschreiber grob mit den Leuten umgingen oder das Geld veruntreuten, das sie einzuziehen hatten; oder es missfiel den Bürgern, dass die Wachen die Tore sehr spät schlossen. 1804 verliessen die französischen Truppen Basel; die Basler waren sicherlich froh, waren die Franzosen doch des öfteren ungebeten in ihre Güter eingestiegen und hatten grossen Schaden an Obst und Früchten angerichtet.

Nach dem Abzug der Franzosen machte der Kanton Basel von seinem Recht Gebrauch, eine stehende Truppe von höchstens 200 Mann zu unterhalten. Dies gestattete ihm der Artikel 9 der 1803 eingeführten Bundesverfassung. Diese Truppe erhielt die Bezeichnung "Standeskompagnie", im Volksmund schnell auch "Stänzler" genannt. Der 1804 gesetzlich definierte Bestand der Kompagnie sollte fünf Offiziere, zweiundfünfzig Unteroffiziere und 148 Soldaten betragen und übernahm jetzt die Wache an den sieben Toren, beim Rathaus, bei der Rheinbrücke und in der Kaserne. Zu den Aufgaben gehörten auch der Polizeidienst und Hilfeleistung bei Brandausbrüchen. Einquartiert wurde sie in den Gebäuden der aufgehobenen Stadtgarnison im ehemaligen Steinenkloster, die bald als "Blömleinkaserne" bekannt wurden. Dort waren in die ehemalige Kirche eigens einige Holzböden für die Unterkünfte eingezogen worden. Die Unterkünfte waren desolat; zwei Soldaten mussten sich ein Nachtlager teilen. Erst Ende der 1840er Jahre wurde dafür gesorgt, dass jeder ein eigenes Bett bekam. Die etwas besseren (aber immer noch nur halbwegs wohnlichen) Räume der Klosterkaserne wurden den Offizieren überlassen.

Stänzler
Angetrunkener Stänzler von Hieronymus Hess, Reproduktion.
Bild: © Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG 1592
Quelle: Staatsarchiv Basel-Stadt

Wer den "Stänzlern" beitreten wollte, musste zwischen 16 und 36 Jahre alt sein, Schweizer Bürger, reformiert und grösser als 1.65m. Beim Eintritt konnte man sich wahlweise für zwei oder vier besoldete Dienstjahre verpflichten. Da die Stänzler Söldner waren, hatten viele von ihnen schon in fremden Armeen Kriegsdienst geleistet, hauptsächlich in derjenigen Frankreichs. Die Mannschaft war ein dementsprechend raues Volk. Der Sold war relativ hoch, aber dieser Lohn musste auch sauer verdient werden. Stänzler galten kaum mehr als die Kloakenputzer auf dem Kohlenberg. Das monotone und triste Leben der Berufssoldaten wurden durch den Hohn der Bevölkerung noch verschlimmert. Stänzler hatten den schlechten Ruf, rüpelhaft, trunksüchtig und liederlich zu sein. Man behauptete, einen Stänzlertrupp stets an der voraus eilenden Alkoholfahne schon von Weitem zu erkennen. Es war allerdings wahr, dass die meisten Söldner mehr in der Wirtschaft anzutreffen waren als in der düsteren Kaserne und dass sie spät nachts aus ihren Kantonnemente schlichen um bei Dirnen zu nächtigen.

Den vorgesetzten Offizieren war es zur Disziplinierung erlaubt, die untergebenen Standessoldaten körperlich zu züchtigen. Demütigungen in der Öffentlichkeit war ebenfalls eine beliebte Massnahme. Dies trug zu einer allgemeinen Verachtung bei, die man in der Basler Bevölkerung gegenüber der Standeskompagnie hegte. Der normale Basler Bürger leistete ab und zu an Wochenenden seinen Dienst in der Miliz und verabscheute den Standessoldaten, der dem Kriegshandwerk beruflich nachging. Was zu ihrem schlechten Ansehen zusätzlich beitrug, war die Tatsache, dass sie in ihrer Freizeit niedrige Hilfsarbeiten verrichteten, um ihren Sold aufzubessern.